Fooddesign, Hygiene und Überwachung

Mineralölrückstände in Lebensmitteln

Der Fokus auf Mineralölrückstände in Lebensmitteln verstärkte sich 2008 mit dem Nachweis hoher Konzentrationen in Sonnenblumenöl

09.03.2021 -

Die Diskussion um Mineralölrückstände in Lebensmitteln begann bereits Anfang der 90-iger Jahre. Jedoch wurde die Öffentlichkeit erst 2008 darauf aufmerksam, als hohe Konzentrationen in Sonnenblumenöl gefunden wurden [1]. Die folgenden Analysen zeigten, dass auch andere Lebensmittel mit teils großen Mengen kontaminiert waren. Durch verbesserte Qualitätskontrollen konnten zwar die Werte deutlich gesenkt werden, jedoch ist eine komplette Eliminierung offensichtlich nicht möglich. War seinerzeit die Rede von mehreren Gramm pro Kilogramm Lebensmitteln, so beschäftigt man sich heute mit wenigen Milligramm. Dadurch steigt aber auch die analytische Herausforderung. Hochspezifische Methoden, angepasst an die komplexe Matrix „Lebensmittel“ sind nötig, um den Anforderungen zu entsprechen.
  Mineralölkohlenwasserstoffe (MOH; engl. mineral oil hydrocarbons) werden generell in zwei Gruppen unterteilt: Die gesättigten Mineralölkohlenwasserstoffe (MOSH; engl. mineral oil saturated hydrocarbons) und die aromatischen (MOAH; engl. mineral oil aromatic hydrocarbons). Während die MOSH-Fraktion aus aliphatischen Verbindungen besteht (Paraffine und Naphthene) und sich im Körpergewebe anreichert, enthält die MOAH-Fraktion komplexe aromatische Verbindungen, die potentiell mutagen und karzinogen sein können [1]. Das große Problem dabei ist, dass Mineralöle zu den sogenannten UVCB-Stoffen (engl. substances of Unknown or Variable composition, Complex reaction products or Biological materials) gehören, da ihre Zusammensetzung aufgrund der großen Anzahl der Bestandteile weitgehend unbekannt und noch dazu variabel ist [2]. Bei der gängigsten Art der Analyse mittels online gekoppelter Flüssig­chromatographie-Gaschromatographie-Flammenionidationsdetektion (HPLC-GC-FID) wird deshalb erst gar nicht versucht, dieses komplexe Gemisch an Substanzen zu trennen, sondern MOSH und MOAH werden als Summenparameter bestimmt. Das zugrundeliegende Konzept der Methode startet mit der Vortrennung der MOSH- und MOAH-Fraktion mit der Normalphasen-Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (NP-HPLC). Die getrennten Fraktionen von je 450 µL werden direkt auf zwei idente GC-Säulen in einem Ofen transferiert („high-volume injection“), um MOSH und MOAH simultan in einem Lauf zu bestimmen. Dabei wird – entgegen der üblichen analytischen Praxis – ein möglichst schnelles und steiles Ofenprogramm verwendet, um die Empfindlichkeit der Methode zu steigern. Die Detektion erfolgt mittels eines Flammenionisationsdetektors (FID), um den Gesamtgehalt an MOSH und MOAH trotz unterschiedlichster Strukturen quantifizieren zu können [3].
  Eine umfangreiche Risikobewertung ist angesichts der komplexen Zusammensetzung problematisch. Dazu fehlen auf der einen Seite verlässliche Daten über den Gehalt von MOH in verschiedensten Lebensmittelmatrizes, die eine Expositionsabschätzung erlauben würden. Auf der anderen Seite ist eine genaue Charakterisierung der MOAH-Fraktion wegen der standardmäßig zum Einsatz kommenden FID-Analyse nicht möglich [4]. Die vorhandenen Herausforderungen liegen also einerseits bei der Probenvorbereitung und andererseits bei der verwendeten Analysentechnik.
  Herausforderung Probenvorbereitung
Die Herausforderung bei der Analyse ist, dass für jede Lebensmittelmatrix je nach Zusammensetzung und vor allem in Abhängigkeit des Fettgehaltes eine geeignete und optimierte Probenvorbereitung gefunden werden muss. Dabei gibt es verschiedene Ansätze und Methodenbausteine, derer sich beholfen werden kann. Zu diesen zählen z. B. Verseifung, Aluminiumoxid-Aufreinigung oder Epoxidierung [5]. Die Analyse beginnt immer mit der Extraktion der Mineralöle aus dem Lebensmittel. Was einfach klingt, ist in der Praxis hochkomplex, da die Eigenschaften des Lebensmittels berücksichtigt werden müssen. So wird z. B. Babymilchpulver mit warmem Wasser rekonstituiert oder fettreiche Lebensmittel wie Mayonnaise in Ethanol dispergiert, um die Mineralöle überhaupt zugänglich zu machen. Anschließend folgt oft eine Verseifung der vorhandenen ­Fette, die die spätere Anreicherung des Extraktes erlaubt. Die weiteren Schritte sind für jede Fraktion spezifisch. Während aus der MOSH-Fraktion natürlich vorkommende n-Alkane mittels Aluminiumoxid entfernt werden müssen, ist bei der MOAH-Fraktion oft eine Aufreinigung mittels Kieselgel mit anschließender Epoxidierung nötig, um natürlich vorkommende Olefine zu entfernen. Am Ende steht die Analyse durch die HPLC-GC-FID-Kopplung und die Auswertung der Signale (engl. Humps), die je nach Form, Größe und vorhandenen Interferenzen eine große Fehlerquelle sein kann. Vor allem bei dem Thema Interferenzen sind vielfach weiterführende Methoden, wie z. B. die umfassende 2D-GC×GC-MS nötig, um falsch positive Befunde zu identifizieren.
  Mehr als nur Bausteine
  Sind die prinzipiellen Bausteine und Vorgehensweisen zugegebenermaßen klar, so mangelt es dennoch an genau standardisierten und bis ins Detail vereinheitlichen Methoden. Zu diesen Dingen zählt z. B. die genaue Vorgehensweise bei der Verseifung oder der Epoxidierung, bei der beispielsweise folgende Fragen zu klären sind:
  • Welches Reagenz wird benutzt? 
  • In welcher Konzentration wird das Reagenz dazugegeben? 
  • Welche Reaktionsbedingungen sind nötig? 
  Die von Labor zu Labor teils erheblichen Unterschiede in diesen Details führen oft zu katastrophalen Resultaten bei der Vergleichbarkeit von Ergebnissen. Dies macht eine genaue Vorkommens- und Expositionsabschätzung unmöglich, ebenso führt es zu einer Verunsicherung bei Produzenten und Konsumenten. Aber genau diese Vergleichbarkeit wird benötigt. Es existiert zwar bereits eine Norm für pflanzliche Öle und Lebensmittel auf Basis pflanzlicher Öle [6], mit einer Nachweisgrenze von 10 mg/kg entspricht diese aber nicht den aktuellen Anforderungen (siehe JRC Guideline [5]). Deshalb beschäftigen sich im Moment mehrere Arbeitsgruppen EU-weit mit der Standardisierung von matrixspezifischen Analysenverfahren mit der nötigen Sensitivität. Dies ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Die Erstellung und Validierung der Methoden ist jedoch sehr aufwendig und bis diese Arbeit vervollständigt ist, werden wohl noch Jahre vergehen.
  Herausforderung Analysentechnik
  Neben der Probenvorbereitung wird die verwendete Analysentechnik immer wichtiger. Die HPLC-GC-FID ist gewiss unumstritten die Analysetechnik der Wahl. Da mittels FID aber nur der Gesamtgehalt als Summenparameter bestimmt werden kann, wird der Ruf nach Verifizierungsmethoden immer lauter. Dies sind z. B. Massenspektrometrie-basierte Methoden, die es einerseits erlauben, falsch positive Werte zu identifizieren und andererseits, einen Blick „unter“ das Signal bzw. den Hump zu werfen [4]. Eine genaue Charakterisierung des Signals in Substanzgruppen wird vor allem für die MOAH-Fraktion angestrebt, um entsprechende Genotoxizitätsstudien und nachfolgend zusammen mit den Expositionsdaten eine umfangreiche Gefahrenanalyse und Risikoabschätzung durchzuführen.
  Schlussfolgerung
  In den letzten Jahren gab es große Fortschritte bei der Analyse von Mineralölrückständen in Lebensmitteln. Zunehmende Automatisierung bei den komplexen Probenvorbereitungsschritten erleichtern in vielen Laboren die Arbeit und bringen vor allem Ressourcenschonung und Zeitersparnis. Es bleiben jedoch große Wissenslücken – etwa, wenn es um einheitliche und standardisierte Analysenverfahren oder um die umfassende Risikoabschätzung bei positiven Befunden geht. Um die Schließung dieser Lücken ist man bemüht, aber das Arbeitspensum ist immens und wird deshalb noch einiges an Zeit in Anspruch nehmen.   Literatur: bit.ly/GIT-Leitner

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Technische Universität Graz - Inst. f. Analytische Chemie und Lebensmittelchemie

Stremayrgasse 9/2
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